Intro Schule des Entdeckens

Schule des Entdeckens

Potsdamer Straße, Berlin Schöneberg, Tiergarten, Mitte 

Inszenierte Raumbetrachtung, Rauminstallationen, Installationen des Gesteuerten Entdeckens, Neuartige Fotografie-Installationen

6 Ausstellungseröffnungen an 6 Orten an einem Tag, 2007

in Kooperation der Europäischen Union, der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin

 

Dem nicht nur in Medien und Werbung sondern auch im Kunstbetrieb der 00er Jahre vorherrschenden Drang zum „Gigantismus“ stellt sich die kunstgruppe GOTTLIEB 2007 mit ihrem Kunstwerk Schule des Entdeckens entschieden entgegen. Die Künstler führten einen mutigen Gegenentwurf ein, der in eine deutlich korrigierende Richtung wieß.

Werbeplakate hatten Ausmaße erreicht, die lediglich durch die Größe der Gebäudefassaden an denen sie angebracht waren ihre gewollte Begrenzung erreicht zu haben schienen. Aufmerksamkeit erwirkte, was sich groß, überdimensional und schreiend präsentierte.

Die Medien, ob „Boulevard“ oder „seriös“, widmeten sich mit Hingabe und scheinbar ausschließlich dem was sich dieser Ästhetik unterzog und seinen Wert alleinig aus dieser gewann. Einer Ästhetik, der sich seit Jahren auch der aktuell medienrelevante, kommerziell erfolgreiche Kunstbetrieb dieser Zeit freiwillig unterworfen hatte.

Diese Verschmelzung von Werbe-, Nachrichten-, und Kunstästhetik prägte entscheidend, da ohne öffentliches Gegengewicht, den Blick des Menschen auf die Welt und dessen Selbst- und Wertempfinden.

Ausstellung und Schulung

kunstgruppe GOTTLIEB thematisierte diese sich fatal auswirkende Wahrnehmungsdiktatur nicht durch bloßes Aufzeigen, vergleichen oder Fragen stellendes Gegenüberstellen. Das Kunstwerk bezog Stellung und machte eine praktisch erfahrbare Alternative bzw. Rückbesinnung der Wahrnehmung möglich. Die strikte Abwesenheit der vorherrschenden Ästhetik wies in diesem Kunstwerk umso deutlicher auf dessen Omnipräsenz.

Geschaffen wurde eine Art Parcours der das Entdecken des Besonderen im Langsamen, Kleinen und Alltäglichen schulte. Schule des Entdeckens wirkte nachhaltig, sich von vorgegebener Ästhetik und Weltsicht zu befreien, selbstbestimmt zu entdecken und sich so unbrauchbar für Manipulationen fremder Interessen zu machen.

Das Kunstwerk von kunstgruppe GOTTLIEB erstreckte sich über 6 Stationen über fast die gesamte Länge der Potsdamer Straße in Berlin. Beginnend von Süden nach Norden waren dies:

– Pallasseum (sozialer Wohnungsbau), Potsdamer Str. 170-172, Aufgang 6A – Rauminstallation

– Atlantik Fischladen, Potsdamer Str. 166 – Inszenierte Raumbetrachtung

– Trottoir Potsd. Ecke Bülowstr – Performance des Entdeckens

– 12-Apostel-Kirchengemeinde, An der Apostelkirche 1 –  Gesprengtes Mosaik

– Warenhaus Deutsche Woolworth, Potsdamer Str. 120 – Installation des gesteuerten Entdeckens

– GdK Gebäude (Galerie der Künste), 3.OG – Sichtverzögertes Entdecken

Alle Stationen waren als Installationen zu betrachten. Allen Installationen gemein war, dass sie Zeit, Ruhe und Langsamkeit fordern um ihre Wirkung zu entfalten. Fotografien von Details der Räume fügten sich in die Räume, verändern diese und stellten Erinnerungen von Momenten der Entdeckung dar. Dabei ging es nicht darum den speziellen Blick der Künstler zu bestaunen, sondern selbst zu entdecken. Jede Installation war Schulungsraum des eigenen Entdeckens. Die originalen Motive konnten gesucht und erforscht werden, neue bisher ungesehene Details und Zusammenhänge konnten entdeckt werden. Hierbei traen unglaubliche Dinge im scheinbar Alltäglichen zu Tage. Die Wirkung die hiervon ausging hielt nachhaltig an.

Jede Installation schuf dies in varierter Form:

Im großen leeren Raum des Pallasseums waren außergwöhnliche und mit enormer künstlerischer intelligenz fotografierte Bilder von Details des Raumes, erinnernd an abstrakte Malereien, sehr hoch und vereinzelt angebracht. Der Betrachter musste mit seinen Blicken den gesamten Raum abtasten. Zusätzlich erhielt er die Möglichkeit mit einem Fernglas die Fotos, die original Motive der Fotos und selbst entdeckte Details „heranzuholen“. Bei längerer Betrachtung enthüllte sich dem Aufmerksamen, die Spannung und Schönheit des Einfachen.

Im Atlantik Fischladen waren die Fotos rückwärtig des Betrachters installiert. Die Originalmotive waren dort nur aus der Erinnerung zu entdecken.

Bei Woolforth entdeckte man grandiose Details eines scheinbar leeren Schaufensters. Auch hier wurde mit außergewöhnlichen Fotos aber auch mit vorgegebenen Ausschnitten auf dem Fenster, sozusagen Live-Fotografien, darauf hingewiesen und der Blick geschult.

Auch das Medium Film wurde in einer äußerst reduzierten Form genutzt, um die Wahrnehmung für das scheinbar Alltägliche zu schärfen: eine einzige Einstellung, in einer spektakulären Stadt, in einer unspektakulären Gasse, fernab von dem was die mediale Erinnerung mit dieser Stadt assoziiert.

Hierbei enttarnten sich sensationelle Dinge des Gewöhnlichen. Ein Mensch, ein Blick, eine Geste, das Ineinandergreifen unabhängiger Abläufe wurde zur Attraktion.

Zu betrachten war einer dieser Filme z.B. durch eine Röhre, zu der sich der Besucher begeben musste; Distanz überwindend, mit Hingabe und konzentriert auf das Wesentliche. Das Gezeigte pries sich nicht an, wollte sich nicht verkaufen oder schockieren. Es wartete darauf mit Sorgfalt entdeckt zu werden.

In allen Installationen waren künstlerische hochwertige Bilder von Schuhen der Bewohner und den Menschen die in den Räumen arbeiten zu finden. Zum Einen verwiesen sie auf das lebendige Element der Räume, die Menschen die diese täglich nutzen, zum Anderen waren sie Symbol der langsamen Fortbewegung die zum Entdecken notwendig ist; bzw. stehend abgebildet, Symbol des Verweilens und Innehaltens. Sie hatten auch den Effekt, als Motiv des gesenkten Blickes, den Betrachter zu mahnen immer wieder selbst besinnend von sich aus zu schauen und zu entdecken.

Sämtliche Fotografien und Videos innerhalb der Installationen wurden analog erstellt. Sie wurden nicht nachträglich bearbeitet, verfremdet oder beschnitten. Annähernd das gesamte im Vorfeld erstellte Material fand Eingang in das Kunstwerk. Es wurde nicht aus einer beliebigen Vielzahl ausgewählt.

Allen Aufnahmen gingen klare Entscheidungen und Erlebnisse des Entdeckens voraus. Diese Vorgehensweise ist Teil des Konzeptes von Schule des Entdeckens: der Langsamkeit, der Ruhe und der Gewissheit über das menschliche Potential selbstbestimmt zu entdecken und zu entscheiden.

Die beiden Künsler, kunstruppe GOTTLIEB, waren an allen Installationen, 9 Stunden lang, rotierend vor Ort, wiesen das Publikum ein und führten diese, durch das Medium Kunst, Schritt für Schritt auf eine Entdeckungsreise, die ihre zukünftige Sichtweise auf ihre Umwelt und ihre Mitmenschen entscheidend veränderte.

Das Kunstwerk war darüber hinaus vorübergehender Treffpunkt und Ort des Verweilens, an dem persönliche Erfahrungen und Inhalte dieser Thematik auch verbal ausgetauscht und vermittelt wurden. Das vorurteilsfreie Gespräch untereinander und mit den Künstlern sowie die daraus zu gewinnenden Erkenntnisse waren und sind ab diesem Zeitpunkt Teil des Kunstwerke von kunstgruppe GOTTLIEB.