Exil Café / Teilstück: Der Bericht der Reise
Gesamtrauminstallation (Film, Sound, Soundinstallation, Performance, Objektinstallation)
in der ehemaligen Tuchfabrik, den Scheidt´schen Hallen, in Essen Kettwig
als offizieller Beitrag zur Europäischen Kulturhaupstadt Essen RUHR.2010
„Kunsthöhepunkt der Woche“ (Kunstmagazin art, Grunar & Jahr Verlag)
Auftakt des Kesamtkunstwerkes Exil Café war eine genreübergreifende Gesamtrauminstallation in der ehemaligen Tuchfabrik, den Scheidt´schen Hallen, in Essen Kettwig.
Objekt- und Videoinstallation, Film- und Klangkunst, Performance- und Sprachkunst flossen ineinander und bildeten in der Eigenart ihrer Darbietung ein Gesamtraumerlebnis.

Die Suche nach geistiger Heimat wird in dem Werk für Essen wird von kunstgruppe GOTTLIEB auf ganz eigene und mehrschichtige Weise beleuchtet. Hierbei geht es im Besonderen um die Identität und Identitätsveränderung des Einzelnen in Bezug auf sein äußeres Umfeld.
Neben der räumlichen Dimension wurde hier auch die zeitliche Dimension untersucht. Entsprechend zu einer Identitätsveränderung die durch die Bewegung im Raum, durch einen langfristigen Orts- und Kulturwechsel geschehen kann, wird hier auf den möglichen Identitätswechsel durch die Bewegung in der Zeit, dem sich Bewegen im geschichtlichen Verlauf, verwiesen.

kunstgruppe GOTTLIEB produzierte hierzu einen Film in dem 5 verschiedene Handlungsabläufe ineinander verwoben werden. Alle Handlungsabläufe wurden von kunstgruppe GOTTLIEB als Performances, explizit für die Essener Installation, an 5 verschiedenen Orten in Berlin durchgeführt.
Die einzelnen Episoden ranken sich wie eine 5 stimmige Fuge um 2 Lebensepisoden von dem bekannten Musiker und Schauspieler, Kostas Papanastasiou, die im Film von ihm selbst vorgetragen werden. Kostas Papanastasiou, Träger des Bundesverdienstkreuzes, ist bekannt aus Film und Fernsehen und gilt als führende Persönlichkeit im damaligen, von Deutschland aus geführten Kampf gegen den Faschismus in Griechenland.

Die einzelnen Handlungsstränge nehmen, wie die Teilstücke von Exil Café, ständig Bezug aufeinander und zu dem Gesamtkunstwerk.
Wie bei einer Fuge wird das Thema durch alle Stimmen geführt. Diese Form wurde auch gewählt um den Inhalt des Werkes zu stützen: lat. fuga = Flucht.
Hinzu kommen 2 Sprachinstallationen die direkten Bezug zum Film und umgekehrt haben. Zu hören ist, über die Kopfhörer, die Verteidigungsrede für einen Gebrechlichen von Lysias, dessen Anfang Papanastasiou in seiner Prozess Erzählung im Film zitiert.
Die Rede ist in kompletter Länge, simultan in altgriechischer original Sprache und deutscher Übersetzung zu hören. Die ca. 2400 Jahre alte Rede dokumentiert durch ihre Zeitlosigkeit einen permanenten Stillstand des menschlichen Miteinanders in Bezug auf Macht, Gewalt und Lüge.
„Denn die Reichen wissen durch Geld sich von gerichtlichen Klagen loszukaufen, während die Armen durch ihre Mittellosigkeit zu Zucht und Ordnung genötigt sind.“
Die zweite Sprachinstallation, direkt aus dem Zelt zu hören, ist ein anrührendes Zeugnis der Verflüchtigung. Lediglich die akustischen Spuren von Menschen die einst das Zelt bewohnten sind noch zu hören. Ihre verschiedenen menschlichen Stimmungslagen äußern sich, schüchtern, verliebt, kokett, ängstlich und humorvoll in einer imaginären Sprache die sich dem Fassbaren entzieht; fern jeglicher Heimat. Unterbrochen werden diese Töne immer wieder von Teilen der sich nun auflösenden Anfänge der Rede Lysias.

Objekte, Geräusche, Bilder, Worte, Klänge und deren Phasenverschiebungen sowie die individuellen, zufälligen Standort Veränderungen des Besuchers im Raum fügen sich zu einer mehrdimensionalen Komposition.
Protagonisten des Filmes (Dauer: 30 Minuten / Endlosschleife) und der Sprachinstallationen (26 Minuten / Endlosschleife und 7 Minuten / Endlosschleife) sind Kostas Papanastasiou und kunstgruppe GOTTLIEB.
Idee, Regie und Schnitt: kunstgruppe GOTTLIEB
Die Präsentation des Filmes geschieht in einer geradezu frechen understatement-artikeit auf einem kleinen, alten, tragbaren Fernsehgerät inmitten einer skurrilen Szenerie des flüchtigen Verweilens.
kunstgruppe GOTTLIEB verwendet hierfür Objekte die für Mobilität und provisorisches Verweilen stehen: Leichtaufbaufiberglasgestängezelt, Aluminiumgestellsitzhocker und Aluminiumschnellaufbautisch. Sie sind leicht, schnell auf- und abbaubar und äußerst transportabel. Sie entsprechen dem flüchtigen und wandelbaren Wesen des gesamt Werkes das nicht wirklich zu fassen und immer wieder neu ist. Sie ermöglichen höchste Flexibilität und permanente Wanderschaft.
Alle Objekte sind neu und ungebraucht. Aufgrund der sauberen und gebrauchsspurlosen Oberflächen strahlen sie eine Kälte und Unpersönlichkeit aus, die dem Gefühl der emotionalen und menschlichen Kälte im Exil zu entsprechen vermag.
Die Objekte erscheinen in Korrespondenz mit dem Raum äußerst fremd, gleich einer Bühnensituation. Es entsteht, gemäß der inhaltlichen Auseinandersetzung ein befremdliches Gefühl, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Kunst-Dokumentar-Spielfilm-Film: Der Bericht der Reise von kunstgruppe GOTTLIEB (2009)
mit Kostas Papanastasiou und kunstgruppe GOTTLIEB
Protagonisten: Kostas Papanastasiou and kunstgruppe GOTTLIEB
Kameratechnik: Joschua Kerr, Chris Nitzschle, Stefanie Seidler
Soundtechnik: Jens Owczarczak
Schnitttechnik: Joschua Kerr, Jules Denner
Idee, Dramaturgie, Schnitt, Regie: kunstgruppe GOTTLIEB
D 2009